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Die drei Musketiere "57 Die Hinrichtung" (von Alexandre Dumas)

HofnarrGiaccomo Episode 258

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HofnarrGiaccomo liest den urheberrechtsfreien Klassiker:

Die Geschichten der drei Musketiere von ALEXANDRE DUMAS

"57 Die Hinrichtung"

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Alexandre Dumas - „57 Die Hinrichtung“

Zwei Bediente führten Mylady, indem sie jeder von ihnen an einem Arme hielt. Hinter ihr schritt der Henker und hinter diesem gingen Lord Winter, d'Artagnan, Athos, Porthos und Aramis. Planchet und Bazin kamen zuletzt. Die zwei Bedienten schleppten Mylady nach dem Fluß. Ihr Mund war wohl verstummt, doch ihre Augen sprachen mit jener unbeschreiblichen Beredsamkeit und flehten wechselweise jeden an, der sie anblickte. Als sie einige Schritte voraus war, sprach sie zu den Bedienten: »Tausend Pistolen bekommt jeder von Euch, wenn Ihr mir zur Flucht verhelft: liefert Ihr mich aber Euren Herren aus, so habe ich Rächer in der Nähe, die Euch meinen Tod schwer büßen lassen.« Grimaud zögerte, Mousqueton bebte an allen Gliedern. Athos, der Myladys Stimme vernommen hatte, trat schnell vor, Lord Winter tat dasselbe. »Schickt diese Bedienten weg,« sprach er, »sie hat mit ihnen gesprochen, wonach sie nicht mehr sicher sind.« Man berief Planchet und Bazin, die auch an die Stelle von Grimaud und Mousqueton traten. Als man zum Gestade des Flusses kam, näherte sich der Henker Mylady und band ihr die Hände und die Füße. Nun brach sie ihr Schweigen und rief: »Ihr seid feige und elende Mörder! Ihr versammelt Euch zu zehn, um eine Frau zu erwürgen, habt acht, kommt man mir auch nicht zu Hilfe, so wird man mich doch rächen!« »Ihr seid kein Weib,« entgegnete Athos kalt, »Ihr gehört nicht dem Menschengeschlecht an. Ihr seid ein Dämon, aus der Hölle entwischt, und wir wollen ihn wieder dahin zurücktreiben!« »O, meine tugendhaften Herren,« sagte Mylady, »habt wohl acht, daß nicht auch derjenige von Euch ein Mörder ist, der ein Haar auf meinem Kopfe berührt.« »Der Henker kann töten, ohne daß er deshalb Mörder ist, Madame,« versetzte der Mann im roten Mantel und schlug dabei an sein breites Schwert. »Er ist der Nachrichter, er ist der letzte Richter und weiter nichts.« Während er sie unter diesen Worten band, stieß Mylady wiederholt ein Geschrei aus, das gar schaurig und seltsam klang, als es durch die Nacht ertönte und gar in der Tiefe des Waldes widerhallte. »Bin ich schuldig und habe ich die Verbrechen begangen, deren Ihr mich anklagt,« kreischte Mylady, »so führt mich vor einen Richterstuhl, Ihr seid nicht die Richter, die mich verurteilen dürfen.« »Ich brachte Tyburn in Vorschlag,« versetzte Lord Winter, »warum habt Ihr es nicht angenommen?« »Weil ich nicht sterben will,« entgegnete Mylady, gegen den Henker sich wehrend, »weil ich zu jung bin, um zu sterben.« »Die Frau, die ihr in Bethune vergiftet habt, war noch jünger als Ihr und ist doch gestorben,« sprach d'Artagnan. »Ich will in ein Kloster gehen, und den Schleier nehmen,« sagte Mylady. »Ihr waret in einem Kloster,« erwiderte der Henker, »und seid daraus entflohen, um meinen Bruder zu Grunde zu richten.« Mylady erhob wieder ein Angstgewimmer und sank auf die Knie. Der Henker hob sie bei den Armen empor und wollte sie nach dem Kahne tragen. »Ach, mein Gott! mein Gott!« wimmerte sie; »wollt Ihr mich denn ertränken?« Dieses Wehklagen war so herzzerreißend, daß sich d'Artagnan, der anfangs im Verfolgen Myladys der heftigste war, auf einen Baumstrunk setzte, das Haupt neigte und die Ohren mit seinen flachen Händen zuhielt; nichtsdestoweniger hörte er, wie sie heulte und drohte. D'Artagnan war der jüngste von diesen Männern, sein Herz ward weich. »Ach,« seufzte er, »ich kann dieses schreckliche Schauspiel nicht ansehen; ich kann es nicht zulassen, daß diese Frau sterbe.« Mylady, welche die letzten Worte vernahm, gab sich wieder einem Strahle von Hoffnung hin und stammelte: »D'Artagnan! d'Artagnan! gedenkst du noch, daß ich dich liebte?« Der junge Mann erhob sich, und trat ihr einen Schritt näher. Auch Athos stand auf, entblößte seinen Degen, stellte sich in den Weg und rief: »Tut Ihr noch einen Schritt, d'Artagnan, so sollen sich unsere Schwerter kreuzen.« D'Artagnan sank auf die Knie und betete. Athos fuhr fort: »Auf, Henker, und verrichte dein Geschäft.« »Gern, gnädiger Herr.« versetzte der Henker, »denn so wahr ich Christ bin, so glaube ich, daß ich Gerechtigkeit übe, wenn ich mein Geschäft an dieser Frau verrichte.« Athos näherte sich Mylady und sagte: »Ich verzeihe Euch das Böse, das Ihr mir angetan, ich verzeihe Euch meine zerstörte Zukunft, meine verlorene Ehre, meine verunreinigte Liebe und mein Glück, das Ihr durch die Verzweiflung, in die Ihr mich gestürzt, für immer vernichtet habt. Sterbet in Frieden.« Lord Winter trat gleichfalls herbei und sprach: »Ich verzeihe Euch die Vergiftung meines Bruder. Die Ermordung Sr. Herrlichkeit des Lord von Buckingham, ich verzeihe Euch den Tod des armen Felton, und verzeihe Euch das, was Ihr mir selber anzutun im Sinne gehabt. Sterbet in Frieden!« »Und mir vergebt, Madame,« sprach d'Artagnan, »daß ich durch eine Täuschung, die eines Edelmanns unwürdig war, Euren Zorn entflammt, wogegen ich Euch die Ermordung meiner armen Freundin und die grausame Rache vergebe, die Ihr an mir verübt habt. Sterbet in Frieden!« »I am lost« (Ich bin verloren!)« stammelte Mylady englisch. »I must die« (Ich muß sterben!)« Darauf erhob sie sich und warf einen von den funkelnden Blicken um sich, die aus einem Flammenauge hervorzusprühen schienen. Sie gewahrte nichts. Sie lauschte und hörte nichts. Sie hatte rings um sich nur Feinde. »Wo soll ich sterben?« fragte sie. »Am andern Ufer,« entgegnete der Henker. Sodann ließ er sie in einen Kahn steigen, und als er auf denselben den Fuß setzte, um ihr zu folgen, reichte ihm Athos eine Summe Geldes. »Nehmt,« sagt« er, »das ist der Lohn der Hinrichtung, damit man sehe, daß wir als Richter zu Werke gehen.« »Gut,« erwiderte der Henker, »nun soll diese Frau erfahren, daß ich nicht mehr Gewerbe treibe, sondern meiner Pflicht nachkomme.« Damit schleuderte er das Geld in den Fluß. »Hört,« sprach Athos, »diese Frau hat ein Kind, und doch gedachte sie mit keinem Wort ihres Kindes.« Der Kahn ruderte nach dem linken Ufer der Lys, und trug die Schuldige und den Nachrichter mit sich. Die andern blieben am rechten Ufer und fielen auf ihre Knie. Der Kahn schaukelte langsam den Strick der Fähre entlang unter dem Widerschein einer blassen Wolke, die eben über dem Gewässer schwebte. Man sah, wie er jenseits anlandete. Die Personen zeichneten sich schwarz ab am rötlichen Horizont. Während der Überfahrt gelang es Mylady, den Strick aufzulösen, der ihre Füße band. Als sie nahe am Ufer waren, sprang sie mit Leichtigkeit ans Land und ergriff die Flucht. Allein der Boden war feucht, als sie oben an der Böschung ankam, glitt sie aus und sank auf ihre Knie. Es stieg ihr zweifelsohne ein abergläubischer Gedanke auf. Sie fühlte, daß ihr der Himmel seinen Beistand verweigere, und verharrte in der Stellung, in der sie sich befand, das Haupt geneigt und die Hände fest geschlossen. Nun sah man vom andern Ufer, wie der Henker langsam seine Arme erhob, und wie sich ein Strahl des Mondes auf der breiten Klinge seines Schwertes abspiegelte. Die zwei Arme fielen nieder, man vernahm das Sausen der Klinge, und unter dem Streiche zuckte eine verstümmelte Masse. Hierauf nahm der Henker seinen roten Mantel ab, legte den Körper darauf, fügte den Kopf hinzu, knüpfte den Mantel an den vier Enden zusammen, lud ihn auf seine Schultern und stieg wieder in den Kahn. Als das Schiff in die Mitte der Lys kam, hielt er an, hob seine Last empor und sprach mit lauter Stimme: »Lasset Gottes Gerechtigkeit walten!« Sonach versenkte er den Leichnam in die Tiefe des Wassers